9
Aug
2015
33

Interview und Shot mit Yvonne Catterfeld

Ich erinnere mich noch genau an den Tag, als ich Yvonne Catterfeld vor Jahren in einem Hamburger Tonstudio das erste Mal traf. Sie arbeitete gerade an ihrer Platte „Blau im Blau“, zu der ich das Cover gestalten sollte. Wir quatschten gleich drauf los und ich muss zugeben, dass ich sichtlich beeindruckt von ihr war. Gesanglich war ich – sagen wir es mal vorsichtig – positiv schockiert. Und auch auf menschlicher Ebene hatten wir sofort einen Draht zueinander. Über die Jahre ist unser Kontakt nie abgerissen und ich hatte ihren Freund Oliver Wnuk in dieser Zeit ja bereits mehrfach vor der Kamera. Irgendwann im Herbst letzten Jahres, saß sie als frisch gebackene Mama bei mir im Studio und ich konnte sie endlich zu einem Shooting mit mir überreden. Als Termin suchten wir uns die Zeit „um und bei“ der TV-Produktion „Sing my Song“ aus. Und dann kam alles ganz anders. Das Format ging durch die Decke, die „Sing my Song“ CD stieg auf Platz 1 in den Charts und meine Timeline quoll vor lauter Jubelstürmen über… Hui! Wahnsinn! Ich wollte mit ihr über ihre Zeit in Südafrika und diesen plötzlichen Erfolg sprechen und bat sie um ein Interview…

Hallo Yvonne, toll das es klappt!
Ach ich freu mich auch, dass das nun endlich mal klappt mit uns…

Warte ich mach noch schnell das Diktiergerät an.
Läuft?

´türlich!
Ich hatte neulich ein Interview von über einer Dreiviertelstunde und dann rief mich die Redakteurin hinterher an und meinte, dass das Ding irgendwie nicht aufgezeichnet hat und fragte, ob wir das Ganze noch mal wiederholen können. Himmel, eine Dreiviertelstunde Zeit!? Das ist für mich als frisch gebackene Mama eine Ewigkeit. Ich hätte mir das früher auch nicht träumen lassen, dass 45min mal so eine Bedeutung für mich haben können…

… umso geehrter fühle ich mich, dass du mir nun deine Zeit schenkst!
klar!

Das „Sing my Song“ Album ist heute auf Platz 1 gestiegen. Als wir uns das letzte mal gesehen haben, bist du gerade in den Flieger nach Südafrika gestiegen und ich will ehrlich sein: das „Line up“ der Sendung sah für mich nicht nach Platz 1 und diesem riesigen Erfolg der Sendung aus… Deshalb: Herzlichen Glückwunsch!! Mich hat wirklich überzeugt, was ich von euch gesehen habe. Eine tolle Sendung. Ich war ganz überrascht.
Ja Wahnsinn oder? Ich glaube das liegt aber vor allem daran, dass die Sendung frei von Gehässigkeit und Neid ist. Nach den DSDS-Jahren ist da so eine gewisse Sehnsucht bei den Leuten nach Ehrlichkeit und Echtheit. Ich hab das selbst aber auch wirklich noch nie so erlebt. Das ist für mich fast wie ein Rausch. Die Begeisterung der Leute ist wirklich Wahnsinn. Man merkte aber auch bei der ganzen Produktion, dass das ein Herzens-Projekt aller ist, (vor allem der Macher.) Mit der Magie, die jedoch in jeder Show entstanden ist, hatte ich vorher nicht gerechnet. Aber genau das hat sich offenbar übertragen. Die letzte Staffel war ja schon so ein großer Erfolg und wir hätten nie gedacht, dass sich das wiederholen könnte… geschweige denn noch erfolgreicher wird…

Wir kennen uns ja nun schon eine Weile und ich weis, wie sehr du mit diesem Popsternchen-Image zu kämpfen hattest, obwohl du über die Jahre wirklich ganz anderes Material veröffentlicht hast. Umso glücklicher war ich, als meine eigene Timeline plötzlich voll von Lobeshymnen über deine Auftritte in der Sendung war. Schöner kann man doch sein ungeliebtes Image doch nicht zerstören, oder?
Ach das hast du schön gesagt. Ja, ich glaube, dass ich diese Show auch irgendwie gebraucht habe. Dieser Wandel wäre auch durch keine andere Show möglich gewesen. Da kannst du hundertmal in Talkshows sitzen und du hast vielleicht 20 Minuten, in denen du aber auch nicht wirklich was rüberbringen kannst… „Sing my Song“ hat mir da das perfekt Umfeld gegeben. Wie du schon sagst: Meine Entwicklung hat sich ja über die letzten Jahre vollzogen und ist nicht erst in der Sendung passiert. Aber ich bin ehrlicherweise auch an der Sendung gewachsen…

Ach wirklich? Inwiefern?
Ich habe ja in den letzten Jahren kaum auf einer Bühne gestanden. Das Schlimmste für mich in Südafrika, war auf der Bühne zu stehen, die Kontrolle abgeben und loslassen zu müssen. Aber am Ende war gerade das aber auch befreiend. Das sieht für den Zuschauer so aus, als sitzen wir da alle vergnügt in einem Wohnzimmer und es war ja auch so. Aber irgendwann stehst du vor dem Mikrofon und du weißt, das was du da gleich singst, wird aufgezeichnet – live… da wird nichts wiederholt…und du schaust deinen wertgeschätzten Kollegen direkt ins Gesicht. Man sieht uns mit unseren Unsicherheiten und Stärken…

…und gerade das reizt den Zuschauer ja. ich hatte bei der ersten Sendung wirklich Gänsehaut, als du plötzlich angefangen hast, zu weinen. Ich hatte das Gefühl, da fällt ganz viel von dir ab…
Ja, das tat es auch. Das war für mich extrem emotional. Ich hatte das totale Gefühl des Loslassens…  Es gibt im Schauspiel eine Technik die nennt sich „Moment to Moment“ –  also dass man nicht darüber nachdenkt, was es nächstes kommt, sondern es laufen lässt und vergisst, was man vorbereitet hat. Man spielt dann von Moment zu Moment. Nichts anderes blieb mir dort auf der Bühne übrig. Nach meinem Song fiel eben der ganze Druck von mir ab, all das was man sich vorgestellt hat, wird auf einmal zur Realität, aber eben anders… und dann liefen die Tränen…ausserdem hab ich in dem Augenblick eine grosse Dankbarkeit gespürt, das alles erleben zu dürfen.

Aber die ganze erste Sendung verlief sowieso ganz anders, als ich dachte. Da wurde ich mit den Songs konfrontiert, die ich immer vor mir weggeschoben hatte und von denen ich auch nicht so richtig wollte, dass die irgendjemand von den anderen singt. Aber ich war baff und völlig begeistert, was vor allem Andreas und Daniel aus diesen Songs gemacht haben. Und dann steht Xavier vor dir und du hörst, wie er einen song singt, den er mal für dich geschrieben hat. Diese Emotion und Eindringlichkeit in seiner Stimme, die ich selbst damals nicht hatte. Zu spüren, wieviel Zeit jeder in deine Songs gesteckt hat, so gross manche Hürde auch war, das hat mich extrem berührt. Weißt du, wir sind die ganze Zeit wirklich alle enorm liebevoll miteinander umgegangen, weil uns alle die Liebe zur Musik eint. Da war so ein großes Verständnis für den anderen…

Warst du denn wirklich komplett frei von Vorurteilen? Als du mir erzählt hast, wer in der Sendung dabei ist, konnte ich mir das ehrlich gesagt gar nicht so richtig vorstellen: „Xavier Naidoo singt PUR und umgedreht und die Prinzen hören zu…“.  Aber als ich dann die ersten Sendungen angesehen habe und merkte, dass das Ganze wirklich funktioniert, musste ich selbst vor Hartmut Engler meinen Hut ziehen… Ich würde mir zwar immer noch keine Platte von PUR kaufen, aber menschlich hat er extrem gewonnen bei mir…
…alle haben gewonnen! Das war ja das spannende. Wir mussten unsere eigene Komfortzone verlassen und haben Lieder anderer Künstler aus ganz anderen Musikrichtungen gesungen. Allein das richtige Material zu finden, mit dem man sich identifizieren kann, war schon kein so einfacher Prozess. Zum einen ist da die Musik und zum anderen die Texte, die man fühlen muss, wenn man sie richtig darbieten will. Daher hab ich bei der Songauswahl versucht, Melodie und Text zu isolieren und da wo ich musikalisch gleich was gehört hab, wie es werden könnte, hab ich einen Haken gemacht. Bei Andreas Bourani ist mir die Songauswahl noch total leicht gefallen, weil er seine Songs so anlegt, wie ich sie auch angelegt hätte. Was aber nicht Sinn und Zweck dieser Sendung ist, weshalb ich bei seinem Song am unzufriedensten war und deshalb den Song kurzfristig glücklicherweise noch gewechselt habe. Die Prinzen wiederum waren, wie auch Daniel Wirtz, für mich musikalisch eigentlich sehr weit weg. Dort habe ich aber genau den Spaßfaktor gefunden, nach dem ich mich schon oft gesehnt habe. Da kannst du auch mal in eine Rolle schlüpfen, ohne das das inhaltlich immer gleich mit dir verbunden wird. Da hatte ich sofort eine musikalische Vision.

Bei „…alles mit dem Mund“ blieb mir selbiger offen und nicht nur mir. Ich habe hier mal meinen Lieblingssatz aus der Twitter-Timeline aufgeschrieben: „Ich mochte es früher so sehr, die Catterfeld nicht zu mögen und nun hat sie mir alles kaputt gemacht!“
(lacht) – das ist mal ein schönes Statement! Dem, der das geschrieben hat, schicke ich hiermit eine dicke Umarmung! Gleichwohl ist das ein Satz, der ganz viel bündelt. Mit Plattenfirmen spricht man schon mal über das Thema „Zielgruppe“. …ich habe dann immer gesagt, das ich bestimmt die Menschen, die mich und meine frühere Musik nicht mochten, mit den anderen Songs dann doch für mich gewinnen kann – denn es ist jetzt eine andere Zeit und die Leute sind ein wenig aufgeschlossener als früher. Und dem ist ja dann auch so gewesen. Ich habe dann immer gesagt, ich weiß dass mich die gut finden könnten, die mich nicht mögen. Ich merke diese gewisse Abneigung immer noch sehr oft bei Journalisten. Und ich spüre da immer noch eine perfide Absicht dahinter, wenn sie unter ein Bild immer noch in Klammern „EX-GZSZ-Star“setzen. Ich habe dann immer das Gefühl, das derjenige der das schreibt, gar nicht wissen will was ich sonst noch so gemacht habe…bzw. man einfach meinen Werdegang und damit meine Arbeit völlig ignoriert.

Ich denke, das ist vor allem ein deutsches Phänomen…
…bei mir geht das ja auch noch, aber wenn du dir beispielsweise mal Til Schweiger anschaust – egal, wie man zu ihm steht oder was man von ihm hält. Was der aushalten muss…Da geht es ja teilweise nicht mehr um die Person, sondern um persönliche Befindlichkeiten, da geht es um eigenen Frust und zuweilen sogar Hass. Das geht oft zu weit.

Ja, furchtbar ist das. Und dann wundert man sich, dass die guten Leute abwandern…Apropos Schauspieler. Was wird denn nun mit dir? Sängerin oder Schauspielerin? Xavier hat es ja so schön in einer der Sendungen formuliert: „Yvonne, du gehörst zu uns!“
Für mich ist die Musik in den letzten Jahren so ein bisschen in den Hintergrund gerückt, weil die Schauspielerei immer mehr an Bedeutung gewonnen hat und das ja mein eigentlicher Beruf ist… Weist du, Musik ist im Laufe der Zeit für mich auch immer mehr zum Kampf geworden und ich hatte irgendwann keine Lust mehr zu kämpfen. In der Schauspielerei bist du im Team unterwegs und nicht komplett allein verantwortlich. Man trägt den Film gemeinsam mit den Kollegen. Deshalb mag ich das Arbeiten im Team unglaublich gern. Und deshalb mochte ich die Zeit des „Musik Produzierens“ im Studio immer viel lieber als dann hinterher allein auf der Bühne zu stehen.

„Sing meinen Song“ hat bei mir in dieser Hinsicht aber total viel bewegt, weil ich wieder richtig Spaß auf der Bühne hatte und wirklich machen konnte was ich wollte. Da hat mir wirklich niemand reingeredet „das kannst du so nicht machen, das ist nicht kommerziell genug… oder das wollen die Leute nicht hören…“.  Ich glaube die Sendung hat einen großen Einfluss auf meinen Einfluss… weist du, was ich meine? Ich traue mir noch mehr zu, viel kompromissfreier zu arbeiten. Ich habe nach der Sendung wesentlich mehr Vertrauen in meinen Instinkt und in mein Selbstvertrauen, weil die Leute das angenommen haben was und wie ich es gemacht hab. Das so zu spüren, ist wirklich toll. Ich habe aber auch das Gefühl, dass ich mir und nicht nur mir das nun schuldig bin genau da weiter zu machen, wo die Sendung aufhört…

Das mit dem „Einfluss auf deinen Einfluss“ höre ich gern. Taylor Swift hat das ja gerade aktuell gezeigt, wie man durch das Kundtun seiner Meinung sogar so einen Riesen wie Apple bewegt, umzudenken.
… was für eine super Aktion! Man muss sich auch mal trauen was zu sagen.  Dafür brauchst du aber auch einen solchen Namen wie eben Taylor Swift, die Millionen Menschen bewegt! Weist du, man fühlt sich manchmal so machtlos gegenüber den großen Entscheidungsträgern…bei solchen grossen Neuerungen werden die Künstler nicht immer gefragt. Ich weiss ja, dass viele von Spotify begeistert sind – aber ich bin unter den momentanen Konditionen für uns Künstler ein entschiedener Gegner davon.

Erzähl!
Ich bin dagegen, weil es eine Richtung bekommt die ungesund ist. Kunst ist ja auch Arbeit – was soll denn werden, wenn keiner mehr Geld dafür bekommt? Du verdienst kaum noch mit Plattenverkäufen  – es sei denn du bist mega erfolgreich. Ganz oft macht man leider nur noch Platten, um auf Tour zu gehen, um dann dort die Kosten wieder rein zu holen. Aber da verdienen dann nur noch die Künstler, aber nicht mehr die anderen Leute, die an der Produktion der Platte beteiligt waren – vor allem die Autoren…und das darf es doch nicht sein oder…

…aber soviel ich weiß, verdienen die Plattenfirmen gar nicht so übel damit… sie geben es nur nicht an die Künstler weiter.
…das ändert aber nichts daran, ob sich ein junger Künstler leisten kann, Songs zu schreiben und ein Album zu produzieren. Ich finde die Entwicklung auch toll, alles auf dem Handy zu haben. Aber wir müssen bedenken, dass „Musik machen“ auch bezahlbar für denjenigen sein muss, der sie macht. Ein Künstler, der irgendwo anders arbeiten gehen muss, weil er mit der Musik kein Geld verdient, schreibt keine Lieder mehr… wo sollen denn die neuen Songs herkommen?

Ich glaube ja immer mehr an Selbstvermarktung und immer weniger an große Major-Labels.  Mittlerweile kannst du dir über Kickstarter-Projekte ja Geld für eine Produktion reinholen, wenn du ein stimmiges Konzept hast und genug Leute zusammen trommelst… Bei Daniel Wirtz hat es – soviel ich weiss – ja auch funktioniert…
Vielleicht sollte ich mir das auch mal näher anschauen (lacht)…

Tausend Dank für deine Zeit Yvonne!

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Die folgenden Aufnahmen sind bereits im März 2015 entstanden.

Fotograf: Steffen Böttcher (www.steffenboettcher.com)
Location: StudioBerlin (www.studioberlin.eu)
Assistent: Nils Hasenau (www.nilshasenau.de)
Gear: Pentax 645z, Broncolor, Dedolight
Bildbearbeitung/Retouching: Josh Terlinden (www.joshterlinden.com)

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