30
Apr
2010
12

Meine Woche als Innenraumfotograf

Treue Leser wissen, das ich in dieser Woche an der schönen Ostsee weilte, um ein sehr schönes und bestens ausgestattetes Ferienhaus abzulichten.  Ich möchte vorausschicken, daß man unter normalen Umständen im Leben keine 5 Tage dafür braucht und ich zudem kein ausgebildeter oder spezialisierter Innenraumfotograf bin (gibt´s sowas überhaupt?). Nein, ich hab mir soviel Zeit genommen, weil ich die Dinge seit einiger Zeit etwas ruhiger angehe und sich die Gelegenheit dafür bot.

Nun gab es einige Anfragen der treuen Leserschaft zu den Ergebnissen dieser Woche und der Auswahl meines Equipments. Wie bereits eingangs erwähnt, bin ich kein Spezialist auf diesem Gebiet, sondern arbeite mich – wie eigentlich immer – an die Sachen ran. Ich hab jedoch genug Erfahrung um zu wissen, was alles geht und was nicht geht.

Fangen wir mal mit den Sachen an die „nicht gehen“. Wer glaubt Landschaft und Architektur zu fotografieren macht vor allem deshalb Spaß, weil das Motiv weder zu spät kommen oder rumzicken kann, der irrt. Es beginnt damit, daß das Licht – egal zu welcher Tageszeit – immer im Weg ist. Du suchst Dir den schönsten Blickwinkel eines Zimmers aus und es ist eine Gegenlichtaufnahme. Entweder weil auf jeder Zimmerseite ein Fenster ist oder der schönste Blick einfach in Richtung Fenster ist. Kein Mensch will eine Ferienhauswand von innen sehen… Gegenlichtaufnahmen sind bei Aktshootings draußen auf dem Feld sehr schön, sollst Du allerdings ein Zimmer mit all seinen Details im Gegenlicht ablichten, wirst Du wahnsinnig. Für den Aufbau von riesigen Softboxen um „gegenzuhalten“ reicht der Platz nicht. Softboxen deshalb, weil Du weiches Licht brauchst, „riesig“ deshalb, weil es sich gleichmäßig (auf die gesamte Raumhöhe) verteilen soll. Nunja – kam eh nicht zum Einsatz. Die Zimmer sind zwar groß, jedoch nicht groß genug um alles gleichmäßig und hell auszuleuchten ohne das der ganze Kram im Weg ist und ständig ins Weitwinkel lugt. Bleiben noch Aufheller: Jaha! Die aus Californien (Sunbounce)sind die Besten! Aber auch die besten Aufheller nützen Dir nur was, wenn Du am Ende des Raumes (in der Ecke in der Du stehst) genug Licht abbekommst um es dann wieder zurück zu schicken. Also hab ich mich dafür entschieden meinem „kleinen“ Kompaktblitz (SB-900) mit aufgestecktem Diffuseraufsatz gegen den Aufheller zu jagen, was sehr gut funzte. Das also eines der Dinge die „gehen“…

Jedes Zimmer ist anders und für jedes Zimmer probierst Du einen neuen Aufbau. Und wenn Du nach einer Stunde Frickelei mit freigelegtem Maurerdekolltee endlich soweit bist,  schiebt sich ein riesiger brauner UPS Wagen vor das Fenster und verdunkelt die Sicht. Der Fahrer findet zunächst (natürlich) das Paket nicht, klingelt dann irgendwann doch um Dich zu fragen, ob Du den Karton mit dem Strandkorb für die Nachbarn annehmen kannst. 30 Minuten später. Der UPS Mann ist weg und die Sonne entschliesst sich dies ebenfalls zu tun. Und Du fängst von vorne an. Geiles Fotografenleben!

Das Ferienhaus wurde gerade vom Bauträger übergeben und riecht noch sehr neu. Baustaub ist nicht gut für meine Allergie und herumliegendes Restbaumaterial nicht gut für die Augen. Man räumt eigentlich immer irgendwas zur Seite. Von links nach rechts und wieder zurück. Abends beim betrachten der Fotos, fällt Dir dann doch wieder irgendwas auf, was Du vergessen hast. Die Stempelfunktion in Photoshop ist ja mein bester Freund! Wir sind ganz dicke Kumpels! Besonders bei den Stellen vor dem Haus wo der Rollrasen noch nicht verlegt wurde…

Die Auswahl der Kamera: Vollformat ist fast Pflicht bei derlei Jobs, da Du jeden verfluchten Zentimeter Bildwinkel brauchst. Es gibt Kollegen, die haben es mit einer gecropten Kamera (mit kleinem APS-C Chip) versucht und mit der Funkfernbedienung aus dem Zimmerschrank versteckt auszulösen. Das ist nicht nur unwürdig sondern auf zum einlullen komisch. Die Königin bei derlei Jobs ist natürlich Großformat. Hier kannst Du zwar zusätzlich noch tilten und shiften was das Zeug hält, wenn Dein Kunde allerdings nicht „Schöner Wohnen“ heisst, schiesst Du mit Kanonen auf Spatzen.

Und nun: Tatah – die Wahl des Objektives. Weitwinkel Objektive – klar! Aber wie weit? Es gibt für die Vollformat (meine Nikon D3S) ein sehr schönes AF-S NIKKOR 14-24 mm 1:2,8G ED– das hab ich aber nicht! Ein Fisheye was den ganzen Raum spielend abbilden könnte, macht zuviel krumme Linien, die Du später kaum wieder rauskriegst. Auch die vielgepriesene PT-Lens Korrektur Software schafft nicht aus einer Fischaugenaufnahme ein „normales“ Bild zu zaubern. Das Material sieht am Ende halt „fischig“ aus. Wenn es dem Auftraggeber egal ist, prima! Go for it! Am liebsten hätte ich allerdings das PC-E NIKKOR 24 mm 1:3,5D ED denn das größte Problem bei Architekturaufnahmen sind die „stürzende Linien“. Du willst schöne „gerade“ Wände und trotzdem etwas von oben kommend fotografieren um das Zimmer besser darzustellen? Dann hilft Dir nur „Shiften“ – und das kann diese Wunderlinse. Die hab ich aber auch (noch) nicht! Ich hab mir mit meinem AF-S NIKKOR 24-70 mm 1:2,8G ED und Photoshop weitergeholfen. Ging ganz gut.

Kommen wir zur Postproduction. Ich mag leicht an-gecrosste Farben, schönes Bokeh, hier und da vielleicht etwas Vignetierung und alles etwas rougher. Die Mehrzahl der Leute die ein Ferienhaus mieten wollen wahrscheinlich nicht. Also alles über Bord! Maximale Schärfentiefe, Maximale Schärfe, möglichst auf den Punkt genau, bitte nicht zuviel Leidenschaft aber auch nicht zu wenig. Die Innenarchitektin hat sich bei der Auswahl der Farben einen sehr großen Kopf zerbrochen. Irritier sie nicht mit Deinen Farbsperenzien. Man soll aber noch sehen, daß die Sonne von allen Seiten hineinscheint und alles mit schönem Licht überzieht. Zauberhaft! Die Fotos sollen ein Maximum an Menschen emotional erreichen und um Himmels willen niemals polarisieren. Also das „Dieter Bohlen Prinzip“ … Es gibt nie ein „wow“ sondern immer nur ein „ok“ – ich hoffe, ihr wisst was ich meine…

Die vergangene Woche war sehr schön. Das „Reethüs Jan“ in Wohlenberg in der Nähe von Boltenhagen ist ein gelungenes Fleckchen Erde und ich hoffe, daß ich hier nicht das letzte mal zu Gast war.

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16 Responses

  1. Matthias

    Hallo
    Super Bericht und tolle Fotos. Wie ich den vorhergehenden Kommentaren entnehmen kann, hast du die Fotos mit Photoshop bzw. mittels HDR optimiert.
    Da ich mich mit der Materie von HDR nicht so gut auskenne, wäre ich dir sehr dankbar, wenn du zu deinem coolen Bericht noch einige Details aus der HDR-Bearbeitung verraten könntest. Das wäre toll!
    Sonnige Grüsse aus der Schweiz
    Matthias

  2. ja und außerdem hat man mit Sensorstaub zu Kämpfen durch hohe Blenden und Interessant natürlich auch wie scharf ein Objektiv bei f16 oder ähnlich noch ist. Desweiteren läßt man wirklich immer irgendwas liegen, ich steh dabei voll auf Gegenlichtblenden, Objektiv(deckel) und auch mal einen Schlüssel.
    Die große Kunst ist ja neben dem Licht auch immer die Position, aus welcher Höhe man Fotografiert und welche Details man betont. Licht ist natürlich auch immer ein Krampf sofern man nicht mit 10 Generatoren und zig Hotlights antanzt, wie es bei Budgets im Highend Bereich der fall ist.

  3. Auch wenn du beschreibst, wie schwierig es war, zu diesen Fotos zu kommen, sind sie rundum gelungen und erwecken den Eindruck, es wäre ein Leichtes gewesen, sie zu schießen. Und Fernweh nach der Ostsee wecken sie außerdem.

  4. Was mir bei Deinen Aufnahmen auffällt: Die Farben sind Hammer und die Schärfe, respektive Plastizität ist sehr gut! Hast alles kontrastmäßig super rausgearbeitet.

    Was mir nicht so gefällt sind die Linien beim Bild 1, 3, 5 und 10. Sie sind nicht schräg genug, dass man es so lassen könnte und nicht gerade genug, dass es geil wäre. Das hätte ich noch gemacht.
    Und Du kommst auch ohne einen Nodalpunktadapter im Innenraum mit zumindest 2 Aufnahmen gut aus, wenn Du gute Software hast (z.B. von kolor Autopano Pro).

    Ob Du jetzt nen 15mm am Vollformat oder nen 10mm am APS-C hast, macht am Ende natürlich keinen Unterschied.. vor allem nicht, wenn die Schärfentiefe eh hoch sein soll.

    Ich habe mich auch schon ein zwei Mal innen probiert. Man kann viel gute Tips geben, aber selber gute Fotos machen ist dann echt was anderes. Es ist schwer. Gerade, wenn die Räume klein sind.

    Und wie Du DRI eingesetzt hast ist genau so, wie man es macht. Super, ohne Effekthascherrei.

    I stay tuned..

    M.

  5. Die Innenaufnahmen sind Dir gut gelungen.

    Auch finde ich gut, dass du auf HDR verzichtet hast – lenkt zu sehr vom Bild als vom Bildinhalt ab.

    Gruß

  6. Justus

    Ich finds n bisschen spiessig. Ich mags halt gern ein bisschen uriger und dänischer. Ist aber gut ausgestattet und der Preis geht denke ich auch in Ordnung.
    Danke für die Bilder!

  7. Das sind doch schöne klare Innenaufnahmen. Übrigens: wenn draussen nicht unbedingt zu sehen sein muss, dann kannst Du die Fenster auch mit Diffusorstoff abdunkeln. Oder Du fotografierst in der Abendstimmung 😉
    Ansonsten hast Du aber recht: Innenaufnahmen brauchen viel, viel Licht.

  8. Holla Maria die Waldfee, was ist Urlaub in Deutschland doch teuer. Oder besser wie teuer er doch sein kann. 1 Woche um 1000 Euro, da muss man schon lange digitale Schaafe hüten. Sehr schöne Fotos, nur die Außenaufnahmen sagen mir von der Perspektive her irgendwie nicht zu, dafür lädt der Blick nach draußen auf den Strand natürlich zum sofortigen Hinsetzen ein.

    1. Auf den ersten Blick hast Du recht. Auf den zweiten Blick rechne mal zusammen was Du in einem Standard-Appartment pro Person bezahlst. An der Ostsee liegst Du- wenn es günstig ist -bei 50€/Nacht/Person. Bei einer 4-köpfigen Familie hast Du die 1.000€ Marke bereits nach 5 Tagen erreicht. Das Ferienhaus hier hat einen riesigen Wohnbereich, 3 Schlafzimmer, 3 komplett ausgestattete Bäder, einen ausgebauten Spitzboden (nochmal 2 Schlafplätze), 2 Terassen, eine Sauna, eine Telefon- und Internet-Flat, einen HD Fernseher mit DVD. Außerdem sind 2 niegelnagelneue Fahrräder im Schuppen. Dann finde ich 1.000€ pro Woche echt günstig!

  9. Siehst Du, und das hab ich genau so gemacht, wie Du es beschrieben hast! #HDR 😉
    Ich wollte den Artikel nicht noch länger machen, deshalb hab ich es rausgelassen… funzt aber nicht immer…

  10. Schöner Erfahrungsbericht. Das Gegenlichtproblem hätte man evtl. auch mit der HDR-Technik lösen können. Die kann man ja auch behutsam einsetzen. Es hätte evtl. eine Belichtung für den Innenraum und eine für’s Fenster gereicht. Diese dann z.B. in PS per Masken ineinanderkopieren. Ich will damit nicht sagen, dass das die bessere Variante gewesen wäre, sondern nur, das so etwas auch gehen würde. 🙂

    Noch was zum Thema Vollformat vs. Cropkamera: Mit den 24mm kann eine Cropkamera mit einem UWW-Objektiv locker mithalten. Mit einem 10-XXmm Objektiv würde man umgerechnet bis auf 15/16mm kommen. Erst bei einem 14mm oder gar 12mm Objektiv am Vollformat müsste die Cropkamera aufgeben. 😉

    Von deinen Bildern gefällt mir das vorletzte (Nr. 9, „ausblick“) subjektiv am besten. Es wirkt auf mich sehr offen und freundlich.

  11. Dass ich eine so ausführliche Antwort auf meine Fragen bekommen würde, habe ich nun wirklich nicht erwartet. Danke schön!
    Nun weiß ich schon ein wenig besser Bescheid und letztendlich heißt die Devise ja doch: üben, ausprobieren, üben, ausprobieren.. Aber immerhin weiß ich jetzt einigermaßen womit.
    Die Fotos sind superschön geworden, das Haus ist der Hammer! Vor allem das Bad und der Kochblock in der Küche haben es mir angetan.
    Gibt es vielleicht
    auch eine Referenzadresse, wenn man das Haus mieten möchte?

  12. Hätte es denn sich nicht angeboten, ein Pano mit dem 24mm zu stitchen?
    Die Fotos zeigen ja doch einen recht kleinen Ausschnitt vom Zimmer