31
Jan
2012
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Dunkelkammer olé

Es muss ungefähr 30 Jahre her sein, dass ich das letzte mal eine Dunkelkammer betreten und eigene Abzüge erstellt habe. Warum ich in dieser Zeit keine Notwendigkeit sah, mich damit zu beschäftigen, mag mit „fehlender Zeit“ zu beantworten sein, eine wasserdichte Begründung werde ich nicht liefern können. Wahrscheinlich ging es mir, wie vielen anderen von Euch auch: Sich in Zeiten digitaler Bildverarbeitung selbst ans Werk zu machen und Papierabzüge zu erstellen, scheint vergleichbar mit der stoischen Nutzung eines Rechenschiebers oder der mühsamen Suche nach einer Telefonzelle. Soweit die Theorie

Die Praxis (war in meinem persönlichen Fall) jedoch vergleichbar mit dem Gefühl in der Magengegend, wenn der Heimatverein gegen den FC Bayern München siegt. Nicht dass mich Fussball interessieren würde, aber so stelle ich es mir vor. Ich gebe zu, dass die „alten Hasen“, die sich seit Jahren durch den Fotografenjob quälen eher ein anderes Magengefühl entwickeln werden, wenn sie an Dunkelkammer denken, weil sich in ihrer Erinnerung, stinkende Hände, gereizte Augen und Frust die Waage halten. Ja, damals hat man eigene Abzüge gemacht, weil man dem Großlabor misstraute und „bessere“ oder „schnellere“ Ergebnisse“ haben wollte. Mir geht es jedoch irgendwie darum, die Aufnahmen „atmen“ zu lassen und „unerwartetes“ zu fabrizieren. Eine Aufnahme ausserhalb des Rechners noch mal „in die Hand“ zu nehmen und damit etwas anzustellen, ist für einen „digital Native“ wie mich, eine neue Erfahrung.

Durch gewisse Umstände, kam ich in der letzten Woche an eine komplette Laborausrüstung inklusive Chemie, Vergrößerer und allem was dazu gehört. Als ich die unzähligen Kartons auspackte und sortierte, hielt ich bis zu 40 Jahre altes Fotopapier und zu  Stein gehärtetes Fixiersalz in den Händen. Auch Geräte, deren Nutzen sich mir bis heute nicht erschliesst, gehören nun zu meinem Besitzstand. Ich hab alles schön aufgebaut, so, wie ich es in Erinnerung hatte und die Schalen mit Chemie gefüllt. Wie war das? Entwickler, Stoppbad, Fixierer, Wasser, fertig! Der Durst Vergrößerer (M605) erschloss sich mir in seiner Nutzung recht schnell, doch die Funktionen der Zeitschaltuhr (Philips PDT022) musste ich erst mühsam googlen. Wie hat man das eigentlich früher gemacht?

Ich griff nach dem erstbesten Film, der bei mir herumlag, fingerte eine uralte Schachtel Agfa Gavaert Papier aus der Kiste und machte mich an die Arbeit. Mann nimmt ja normalerweise Papierstreifen und testet die Zeit aus. Meine Zeitschaltuhr soll sogar messen können, wie lange man belichten muss. Pfff. Ich schätzte! Als dann das erste Bild in der Entwicklerschale so langsam zum Vorschein kam, war das ein saugeiles Gefühl. Etwas dunkel (Siehe Mitte) aber sichtbar. Zeit verkürzt, zweiter Anlauf. Besser. Yeah! Für das, was da an Ergebnissen zum Vorschein kam, hätte ich mein Labor vor 15 Jahren geohrfeigt – heute schreib ich stolz ne Blogpost drüber. Es ist einfach spannend zu sehen, wie unsere Vorfahren gearbeitet haben :mrgreen:

Wie hat es der verehrte Jeriko im Vorwort meines Buches so treffend formuliert? „Dein Abenteuer beginnt hier!“ Der Satz sollte in Metall geprägten Lettern an der Wand meiner neuen Dunkelkammer hängen. (BTW: Hatte ich eigentlich schon mal gesagt, dass ich diesen letzten Satz im Vorwort meines Buches über alles liebe? (Danke Christoph!))

20 Responses

  1. Ich hab mir mal vor ca. 15 Jahren eine Dunkelkammer in meinem WG-Zimmer eingerichtet – inklusive handgenähter doppelschichtiger „Light-Blocker“ aus Stoff, die ich mittels Velcro vor die Fenster Kletten konnte.

    Was soll ich sagen: Dunkelkammer, das ist SINNLICHKEIT – der Gestank irgendwelcher absurder Chemikalien mit schon ätzend klingen Namen, das Herumtunken sich zusammenrollender Papierstücke in irgendeiner Plörre, die Atmosphäre partieller Orientierungslosigkeit in einem lediglich rot ausgeleuchteten Alternativuniversum.

    OK, all das wird uns/mir/denen die das noch kannten fehlen.

    Andererseits: No need for stupid sentimental crap. Time goes on. Auch die digital Bildbearbeitung hat hire „Sinnlichkeit“ – wenngleich diese sich eher im rein-Geistigen, nicht so sehr im Physischen abspielt. Wenn ich Kontrast verändere, die Belichtung und so weiter austariere, dann ist auch das ein ästhetischer Prozess.

    Aber ein anderer. Wenn heute einer mit Dunkelkammer arbeitet, dann hat das schon was von einer Zeitreise. Wie gesagt: Warum nicht?

    Man sollte das hedonistisch sehen, und (be-)werten.

  2. Klasse Blog und toller Artikel – bin grade etwas am surfen gewesen und auf diesen Beitrag gestoßen. Kann mich meiner Vorrednerin nur anschließen – wirklich super Fotos und genial, wenn man diese Kunst noch beherrscht.

  3. Gott, wie gern ich so etwas mal machen würde, Fotokunst auf höchstem Niveau 🙂 Schöne Fotos sind da bei dir rausgekommen, mir gefällt das Rechte am Besten 🙂

  4. holger

    Geil! Sind die „Schlieren“ auf dem linken Bild gewollt? Wenn ja: Exzellent! Wenn nicht: Entwickler ist zu warm und Fixierbad etwas saurer machen bzw. 10% weniger Wasser als angegeben (ick als alter Laborhase kann hier als Klugscheißer fungieren…) Bin froh, das alles hinter mir zu haben – ich hab mich ja anstecken lassen und mir auch wieder ne Großformat zugelegt, aber ich scanne lieber; hab auch gemerkt, dass ich alle Experimente doch schon vor 30 Jahren durch habe und außerdem: ein wirklich massenhafter „Analog-Boom“ wäre doch eine ökologische Katastrophe, hab selbst noch ORWO live erlebt… Trotzdem: viel Spaß auf der weiteren Reise!

  5. Alex

    Ich kann mir sehr gut vorstellen was für eine Freude das macht, das tut es bei mir schon wenn ich ein Fotos beim Drucker rausjage oder entwickeln lasse. Und warum? Weil 95% der Bilder nur am Rechner landen oder über Netz verschickt werden.

    Für mich ist das etwas, das ich nicht tun muss. Ist wie mit dem Comic-HDR den ich mir gespart habe, das Fischauge und auch der 45°Blick … alles Dinge die ich mir erspart habe … und hoffentlich weiterhin erspare 🙂

    Aber gut was rede ich … ich mach das erst seit 1 1/2 Jahren, wer weiß was mir noch einfällt 😀

  6. Thomas

    Toller Artikel! Man kann richtig mitfiebern und deine Aufregung spüren. Ich selbst habe mir in der Studentenzeit unzählige Nächte um die Ohren gehauen, weil man in der WG nur nachts in Ruhe in der improvisierten Dunkelkammer im Bad arbeiten konnte. War geil, aber ich vermisse es nicht… Vielleicht würde ich wieder „angefixt“, wenn mich mich mal wieder auf so eine Laborsession einlassen würde, wer weiß.

    Einen Satz finde ich sehr bemerkenswert: „Für das, was da an Ergebnissen zum Vorschein kam, hätte ich mein Labor vor 15 Jahren geohrfeigt – heute schreib ich stolz ne Blogpost drüber.“

    Dieses Gefühl beschleicht mich derzeit immer öfter, wenn ich mich ein wenig in Foren oder Blogs „herumtreibe“. Es scheint so, dass man derzeit nur „Kodak Tri-X, in Rodenal, gerührt und nicht geschüttelt“ an ein Bild schreiben muss und jeder bricht in helle Begeisterung aus. Mich erinnert der Analog-Hype sehr häufig an das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“.

    Bitte nicht missverstehen – ich will hier nicht überheblich wirken, sondern nur meine sich derzeit häufig einstellende Verwunderung kundtun. Es gibt grandiose analoge Arbeiten, aber nicht jedes Bild das analog aufgenommen und selbst entwickelt ist, wird automatisch zum Meisterwerk.

  7. Ralf Jannke

    Wie immer – sehr schöner Artikel!

    Nach 38 Jahren Chemietechniker pansche ich nicht mehr in Schalen. Aber: Eine Entwicklungsdose für 2 6×6 Filme ist unterwegs und die Handvoll SW-Filme für meine „Grunge-/Trash-/Kunst-Experimente“ werde ich dann doch selbst entwickeln. Danach ist aber Schluss, dann wird der Scanner „angeworfen“. Auch wenn sich die (silber)dichten SW-Negative nicht so gut digitalisieren lassen…

    Grüße aus Bonn

    Ralf

  8. @florian ja, es war eine harte und schwere Suche, die sich jedoch sehr gelohnt.
    @Ralf gern, vielleicht können wir mal telefonieren?
    @Vinzent Nein, die Sivopas fehlen komplett. Hast Du noch welche? Das Rodinal brauche ich noch!! 😉

  9. also ehrlich … ich beneide dich um den anscheinend unendlichen Platz für dein equipment und das noch unendlichere verständnis deiner familie!
    bislang dachte ich, dass ich die toleranteste frau der welt habe …

  10. tobi

    Sehr schön zu lesen. Papierabzüge haben was für sich… ich weiß nicht wie ich das sagen soll, aber ich finde sie einfach schöner als Fotodrucke.
    Wenn ich mich nicht irre, kann man den M605 mit Multigrade-Papieren betreiben. Ich bin eigentlich „mehr“ Fan von Multigrade-Papieren, da ich doch mit unterschiedlichen Filmen arbeite und die Abzüge dann auch in Kontrast manchmal auf normalem Papier entweder zu flau oder zu hart werden.

  11. „Mir geht es jedoch irgendwie darum, die Aufnahmen “atmen” zu lassen und “unerwartetes” zu fabrizieren“

    genau da liegt der ansatz…eine frage das brovira papier …so alt und noch funktionsfähig? das freut mich, denn ich überlege gerade ein kleine großmenge (300 blatt) aus den jahren zwischen 1940 bis 1960 zu erwerben……und die ergebnisse lassen mich aufatmen….

    danke steffen für diesen artikel nun bin ich mich sicher was den kauf angeht. und deine spontane art des schreibens habe ich wieder sehr genossen.

  12. saustark! da kommen bei mir viele erinnerungen hoch. ich habe vor zehn jahren eine ausbildung zum fotolaboranten gemacht. ich hatte damals noch das vergnügen komplett analog arbeiten zu dürfen: analoge SW- und Farblabore, C-41, RA-4, etc. alles noch von grund auf gelernt.
    später kam dann ein „durst lambda 130“ und es wurde alles anders…

  13. Vinzent

    Viel Spaß! Den selben Vergrößerer hab ich übrigens auch. War bei deiner Negativbühne ein Anti-Newton-Glas dabei? Und falls du eine Anleitung für das Ding brauchst…

    P.S. Brauchst du das Rodinal eigentlich?

  14. …eine Dunkelkammer richtig zu beherrschen ist heutzutage fast wie ein Ritterschlag bzw. das Abenteuer zwischen Licht und Schatten.

    Wie hat sich eigentlich das 40 Jahre alte Papier geschlagen. Ging noch etwas? Dem Fixiersalz schadet eine einstweilige Versteinerung im Übrigen nicht, man muss eben nur einen Hammer mit in die Dunkelkammer nehmen 😉

    Viel Spass weiterhin . . .

  15. Mich würde mal interessieren, welches Equipment noch in den Wunderschachteln war, dessen Funktionen sich Dir (noch) nicht erschliessen. Vielleicht kann ich Dir helfen.

    (Ich wünschte, ich hätte einen Kellerraum übrig, in dem ich mir auch wieder eine DuKa aufbauen könnte.)

  16. Rattenscharf.

    Bei uns steht dieses Jahr hoffentlich noch ein Umzug an. Wenn der klappt ist genug Platz vorhanden. Und Equipment lagert auch schon. Der ewige Plan DK wird dann hoffentlich auch für mich aufgehen.
    Freue mich auf weitere Ergebnisse von Dir. Vor allem auf die Großdrucksachen.