9
Feb
2016
53

Zeitvertreib ist das Gegenteil von Zeit genießen

Es gibt Worte, die ich nicht mag. „Zeitvertreib“ wäre so eines. Da kriegt man vom Schöpfer ein Zeitfenster hier unten, darf fantastisch sein und dann „vertreibt“ man die Zeit die man hat? Klingt irgendwie danach, als würde man das Leben nur aushalten. Sicher, manchmal kommt einem das wirklich so vor, aber sollte dies zu einem Dauerzustand werden, läuft was falsch. 

In den letzten Wochen starb eine ganze Garde von Leuten, die ihr Ding gemacht, ihre Kunst verfolgt oder einfach ihr Leben gestaltet haben. Und mit jeder weiteren Todesnachricht, schütteln wir traurig den Kopf. Warum macht uns der Tod dieser Leute so betroffen? Warum fanden wir sie gut, ohne sie wirklich zu kennen? Wahrscheinlich weil sie uns mit ihrem Leben vorgelebt haben, wofür wir eigentlich auf der Welt sind: Um uns und unseren Platz im Leben zu finden, uns glücklich zu machen, unser Talent auszuleben und die Welt damit anzustecken.

Doch statt selbst sein eigenes Ding zu machen und glücklich zu werden, orientiert sich die halbe Welt an Fahrstuhl-Selfies junger Hühnerhaken oder protestiert gegen Menschen, die aus ihrer Heimat geflohen sind. Und die Anzahl von Followern wird zur absurden Währung des Lebens und das „gegen andere sein“ zum Zweck der Existenz. Es fällt mir schwer vorzustellen, dass Bowie je in der Bahn saß und Fahrstuhlselfies like-te oder Lemmy Kilmister gegen Menschen in Not auf die Strasse gerannt wäre. Sie hatten ihr Ding im Leben gefunden und waren nicht neidisch auf ein Leben, frei von Überraschungen, mit Regeln, die von außen betrachtet keinen Sinn ergeben.

Ich mag den Satz von Paul Arden „Es kommt nicht darauf an wer du bist, sondern wer du sein willst“. In ihm steckt die wunderbare Möglichkeit, sich in jeder Sekunde seines Lebens um-entscheiden zu können. Der Geist formt sich nach dem Anspruch, der an ihn gestellt wird.

„Zeitvertreib“ ist das Gegenteil von „Zeit genießen“. Keine Mutter hat jemals ein Leben auf die Welt gepresst und gehofft, dass es danach seine Zeit vertreibt. Diese Liebe, diesen Schmerz… Nein, ich will kein Leben, bei dem sich im Zenit keine Lust darauf ergibt, sich den Rest vorzustellen.

 „Man kann das Leben nicht verlängern, deshalb sollte man es verdichten“  † Roger Willemsen

 

 

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