1
Dez
2010
7

Der eigene fotografische Weg (Teil1: Equipment)

Am Ende eines Jahres wird man ja immer so ein wenig sentimental und schaut zurück. Für mich war 2010 das Jahr des Neuanfangs. Ich hab mich aus dem Grafikdesign-Zeugs zurückgezogen und mich nun komplett auf die Fotografie gestürzt. Ob mir das wirtschaftlich gelungen ist, will ich heute gar nicht näher beleuchten … nein – hab ich mich fotografisch weiterentwickelt? Und wenn ja zu meiner Befriedigung?

Um es kurz zu machen: „ja“. Für die lange Version will ich voranschicken, daß ich sich mir diese Frage bei meiner Entscheidung nur noch als Fotograf zu arbeiten, zunächst gar nicht gestellt hat. Ich war ganz happy mit meinen Fotos und es gab in der Tat Leute, die mir für mein Geknipse bereits Geld gaben. Irgendwann jedoch bemerkte ich, daß ich (zum Leidwesen meiner Frau) lieber mit Fotografie ins Bett ging und auch neben ihr aufwachte. Die „No-Go-Frage“ meiner besseren Hälfte „Woran denkst Du gerade?“ konnte ich mit einem eindeutigen „Ich fotografiere gerade im Kopf“ beantworten. Ist sowas gefährlich? Was spielte sich da ab?

Nun, je länger ich meine autodidaktischen Fähigkeiten hinsichtlich des neu gewählten Berufszweiges betrachtete, wurde mir bewusst, daß ich doch letztlich noch nicht viel tat, außer mit offener Blende schöne Bild-Momente zu finden. Ich wusste um das Zusammenspiel von Blende, Verschlußzeit und Empfindlichkeit, doch für mehr fehlte mir die Ausbildung. Erst durch die Analyse meiner Arbeit und dem Vergleich mit den „Großen meiner Zunft“ geriet ich in Zugzwang. „Hey – Kalle Gustafsson – schaut auch nur durch den Sucher, oder?“ … Und da wären wir schon beim ersten Trugschluss und der größten und schlimmsten Diskussion in Fotografieforen und Blogs „ever“: Macht die Technik – also teure Kamera+endgeile Linsen das Bild oder der Fotograf? Die Antwort laute in meinem Falle: Jein, ich glaube Beide! Aber nicht zwingend zur gleichen Zeit.

Ich hatte jedenfalls irgendwann das Gefühl, mit meiner Nikon D90 und meinen 3 Standardlinsen nicht mehr weiter zu kommen. Ich investierte in das Schlachtschiff Nikon D3s nebst aller Köngsklasse-Objektive und wähnte mich im Himmel. In der Tat war ich plötzlich nicht mehr „Büttel“ sondern „“Herr“ der Lichtsituation und dank ISO Power bestimmte ich alleine, welche Verschlußzeit und Blende mir recht wäre… Aber wie so oft im Leben: Das alleine reicht nicht, oder doch? Nun, es hilft Dir, Deine Bildideen völlig frei von technischen Wägbarkeiten umzusetzen – Du bist frei! Zudem ist es geil, in allen Brennweiten auf Blende 2,8 zurückgreifen zu können. Ein besserer Fotograf bist Du deswegen noch nicht. Aber es gibt Dir extrem Raum, Dich auszuprobieren und zu finden. Ich kann mich erinnern, daß ich anfangs immer größere Taschen mit kiloschwerem Equipment mit mir herumtrug und lernte die Vor- und Nachteile sowie auch die Möglichkeiten verschiedener Brennweiten kennen. Das Material am heimischen Rechner zu sichten und zu sehen, dass Du hier mit einem hohen Level an erreichbarer Qualität arbeitest, macht durchaus glücklich. Mein Kollege Stefan Groenveld hat in etwa mal in einem Gespräch gesagt: „Teuer aussehende Fotos kannst Du Dir mit Deinem Equipment kaufen“ und ich muß ihm absolut recht geben. Man sieht den Unterschied! Ob dieser Unterschied letztlich jedoch über „Sieg“ oder „Niederlage“ eines Fotos entscheidend ist, zeigen die anderen 50%: Können, Erfahrung, „Auge“…

Du wirst jedoch mit ner D90 und passender Kit-Linse nur mit wahnsinnig viel Glück mit einem Foto eines „Bären, der gerade einen Lachs mit der Tatze fängt“ bei Boston Picture landen. Erstens, weil Du dieses Foto – wenn überhaupt – mit dieser Cam-Linsen-Kombi seltenst mit befriedigender Qualität hinbekommen würdest (und wenn doch – bist Du Lebensmüde). Und Zweitens, weil Du als Fotograf in diesem Moment nicht wirklich die 100prozentige technische Gewalt über die Situation hättest und der Zufall eine viel größere Rolle spielt.

Nun werden sicherlich einige unter Euch mit mit waghalsigen Gegenbeispielen kommen und ich möchte hier gleichmal den Wind aus den Segeln nehmen. Ja, Neil Krug braucht nur ne Polaroid Kamera um hinreissende Fotos zu machen. Ich bin mir allerdings sicher, daß er seinen fotografischen Weg nicht mit ner Polaroid-Cam gegangen ist.

Die völlige Freiheit sich für eine bestimmte Kombi an Equipment bewusst entscheiden zu können, hat „meine Schleusen geöffnet“. Meine Tasche wird übrigens gerade wieder kleiner. Weil ich genau weiss, was ich beim anstehenden Shooting erreichen will. Mitunter reicht die D90 mit nem 85/1,8…    aber eben nicht immer…

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13 Responses

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  4. Der Marc

    Ich denke auch, dass du mit deiner Aussage recht hast. Sicher kommt es an erster Stelle auf das „Auge“ des Fotografen an, wenn ich ein tolles Motiv festhalten will. Mir bringt ja das teuerste Equipment nichts, wenn ich damit nur typische „Onkel Werner Urlaubsfotos“mache. Andersrum kann ich natürlich auch versuchen mit einer Kompaktkamera tolle Fotos zu machen. Bei manchen Bildideen mag das reichen, aber irgendwo wird mir eben eine Grenze gesetzt.

    Auch, wenn man sagen kann, dass man beides irgendwo braucht und beides gleich wichtig ist, hat für mich persönlich das „Auge“ des Fotografen die größere Bedeutung. Immerhin muss ich erstmal ein(e) gutes Motiv / Bildidee finden. Erst danach kommt für mich das Equipment.

    Vielleicht liegt spielt da auch ein klein wenig die Tatsache mit rein, dass ich mich nicht mit dem besten Equipment ausstatten kann 🙂

  5. @Jeriko: Es ist jetzt nicht so, daß ich erst dieses Jahr angefangen habe zu fotografieren 😉 Ein wenig länger bin ich schon im Geschäft. Seit Anfang diesen Jahres jedoch ausschliesslich als Fotograf 😉
    @Chris …aber auch das ist ein Weg der Erkenntnis

  6. Es stimmt – weniger ist mehr. Was bringts mir, wenn ich alle Eventualitäten mit meinem Zoom abdecken kann. Die Bildidee entsteht im Kopf und verlangt eh nach einer fixen Brennweite, oder …
    lg Chris

  7. Sprotte69

    das bekräftig mich doch wieder in der Entscheidung: erst die Grundlagen richtig beherrschen und dann die nächste Klasse Fotocam zulegen…

    wenn doch die Woche mehr freie und weniger Arbeitstage hätte – zum Lernen und ausprobieren und…

  8. Na da kann ich Jeriko und auch Dir nur voll zustimmen. Dieses „der Fotograf macht das Bild, und nicht die Kamera“ kann ich nicht mehr hören. Klar kann einem die Kamera, egal wie teuer, nicht die Idee in der „Ideen-Automatik“ vorgeben, dass muss und darf man zum Glück selbst machen.

    Aber was bringt es mir, wenn ich eine super Idee habe, sie aber gar nicht umsetzen kann, weil zum Beispiel die Lichtstärke vom Objektiv nicht reicht und die Kamera nur rauscht?

    Das ist wirklich ein Symbiose aus menschlicher Machbarkeit (Kreativität und Neugierde) und technischer Machbarkeit (Kamera oder Objektiv).

    Mit jeweils nur einem Teil der Beiden funktioniert das nicht, finde ich.

  9. Ach 2010 erst richtig eingestiegen? Oha, hätte dich schon viel länger im Geschäft vermutet…

    Und ansonsten Zustimmung: mir geht dieses „es kommt nicht auf die Technik“-Gerede langsam auch auf die Nerven. Ja, eine bessere Kamera macht nicht automatisch einen besseren Fotografen, sie erweitert aber die Möglichkeiten. Das habe ich gerade erst im Land der aufgehenden Sonne erfahren können…